Im Überblick: Konsumententests & Corona
Wie es isi gelang, Sensoriktests während der Corona-Krise nahezu nahtlos vom Labor in das Zuhause...
Was Konsumententests in Europa, USA und Südostasien unterscheidet
Konsumententests sind nur dann erfolgreich, wenn sie an die Gegebenheiten und die Kultur des Testlandes angepasst sind. Selbst zwischen vermeintlich ähnlichen Ländern wie Deutschland und den USA bestehen große Unterschiede. Wer sie nicht kennt, riskiert fehlerhafte Ergebnisse. Hier berichtet isi aus dem Nähkästchen und zeigt auf, wo die Fallstricke liegen und wie man sie umgehen kann. Stimmt das Testdesign und passt das Partnerlabor zum Unternehmen, entsteht eine langfristige Zusammenarbeit, die beide Partner nach vorne bringt.
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Am Anfang war die Nudelsuppe. Sie hat sich jedenfalls bei Robert Röttgen eingeprägt, wenn er an seine erste Erfahrung mit einem Feldtest in Südostasien denkt. Der isi Feldpartner Netzwerk Manager besuchte ein Teststudio in Bangkok, Thailand, und sorgte dafür, dass der Test so wie in Deutschland geplant ablief. Als 20 Minuten nach dem Teststart noch nicht alle Testpersonen vor Ort waren, machte sich der Göttinger Sorgen. Ein Versuchsteilnehmer in Deutschland würde womöglich nach 15 Minuten Wartezeit verärgert das Teststudio verlassen oder – noch schlimmer – bleiben und seinen Unmut am Fragebogen auslassen und die Testprodukte herabwerten.
Doch als der Test in Bangkok schließlich startete, war keiner der Versuchsteilnehmer ungehalten. Im Gegenteil, sie probierten neugierig die Hühnersuppe (Sup kị̀), ließen sich die Augenmaske aufsetzen, um die Verpackung der Instantsuppe zu ertasten und tippten entspannt ihre Ergebnisse ein. Keine Anzeichen von Unmut, stattdessen ein erfolgreicher Test.
Die Erklärung liegt auf der Hand. In der größten Metropolregion Thailands leben rund 15 Millionen Menschen. Ob mit Bus, Skytrain oder Motorradtaxis – ein minutengenauer Takt kann selten eingehalten werden. Verspätungen sind an der Tagesordnung und regen die Menschen dort weniger auf als etwa einen Probanden in München, der höchstens 20 Minuten vom Stadtrand zum isi-Labor am Stachus benötigt. Erstellt das isi-Team einen Testplan, so werden diese Gegebenheiten vor Ort mitgedacht und die Taktung des Tests daran angepasst. Das kann etwa ein früherer Testbeginn sein oder längere Pausen zwischen den Testsessions.
Dies ist nur ein Beispiel von vielen, die es nötig machen, Konsumententests für ein spezielles Land abzuwandeln. Das Ziel – verlässliche und aussagekräftige Testergebnisse – bleibt das gleiche, der Weg dorthin ist je nach Land etwas anders.
„Die meisten denken vermutlich, dass es zwischen einem Teststudio in Deutschland und den USA keine so großen Unterschiede gibt. Das stimmt jedoch nicht“, erläutert Robert Röttgen. So befinden sich etwa in Deutschland und vielen anderen europäischen Ländern die Testlabore oft in der Innenstadt oder zumindest dort, wo Testpersonen ohne allzu lange Wege hinfinden.
In den USA müssen die Menschen dagegen viel größere Distanzen zurücklegen. Eine Innenstadt mit Einkaufspassage, in der Testpersonen rekrutiert werden könnten, gibt es meist nicht. Daher ist die Shopping Mall der passende Ort, um Menschen für Konsumententests zu gewinnen. Aus diesem Grund befinden sich auch viele Teststudio direkt in einem Einkaufszentrum. Das führt jedoch zu einigen Besonderheiten. Oft kaufen Menschen unterschiedlicher sozioökonomischen Gruppen in unterschiedlichen Zentren ein. Ein Hersteller, der etwa eine besonders günstige Tiefkühlpizza testen möchte, wird in einer Luxus-Mall nicht die passenden Testpersonen für sein Produkt finden. „Wir kennen die Kundenzusammensetzungen der Malls und können daher unsere Kunden beraten, wo eine Rekrutierung sinnvoll ist“, betont Robert Röttgen.
Eine zweite Besonderheit in den USA sind die sogenannten Test-Profis. Manche Menschen gehen gezielt in die Malls, um sich für Konsumententests ansprechen zu lassen. Die Test-Profis sind aber keine gern gesehen Gäste in den Teststudio. Die optimale Testperson sollte ohne Vorerfahrung in den Test gehen und ihn vor allem aus Neugier mitmachen. Test-Profis wissen dagegen schon zu viel und statt Neugier spielt der finanzielle Anreiz eine größere Rolle. Ein Teststudio in den Malls ist daher gut beraten, Test-Profis schon vorab auszusieben, damit die Ergebnisse nicht verfälscht werden.
In Deutschland oder anderen europäischen Ländern spielt die Neugier auch deswegen meist eine größere Rolle, weil die Vergütung oder das Incentive – etwa ein Einkaufsgutschein – für die Teilnahme an einem Konsumententests nicht allzu groß ausfällt. „Die Vergütung in den USA ist traditionell hoch“, weiß Robert Röttgen. Es gilt die Devise Zeit ist Geld und die Testpersonen erwarten, dass sie am Test verdienen. Dadurch können Tests in den USA kostspieliger werden als in anderen Ländern.
Der Blick aufs Geld spielt auch an anderen Stellen im Testprozess eine Rolle. So sind Teststudios in den USA gewohnt, für jede Dienstleistung abzurechnen. Der Fragebogen soll 50 Mal kopiert werden? Dann werden auch Druck und Arbeitszeit berechnet. In anderen Ländern ist dieser Service meist mit eingepreist. In der Zusammenarbeit sollte das bei der Erstellung des Kostenplans mitbedacht werden. Sonst droht eine unangenehme Überraschung.
Die Mitarbeitenden in US-amerikanischen Testlaboren bringen in der Regel hohe Eigeninitiative mit. Durch Nachfragen und konstruktive Kritik optimieren sie die Testdurchführung.
In den Augen der Kunden aus Europa schießt dieser Elan jedoch mitunter über das Ziel hinaus. „Dann werden vorgeschriebene Testabläufe schonmal eigenhändig und ohne Absprache abgewandelt“, erinnert sich Robert Röttgen. Das ist kein Problem, wenn man diese (aus deutscher Sicht betrachtete) Eigenheit kennt und die Mitarbeitenden im US-Labor darauf anspricht und die Abläufe im Blick hat. Sicher, es gibt einen Weg, um die Bratwurst noch schneller von der Testküche zum Konsumenten zu bringen. Doch ist bei einem vorgegebenen Testablauf die Standardisierung wichtiger als die Schnelligkeit.
Ein weiterer Punkt, den es bei der Testplanung in den USA zu beachten gilt, ist die Vorliebe mancher Probanden auf einer Skala die Extreme anzukreuzen. So taucht dann etwa in den Ergebnissen vor allem die Zahl neun auf, die Abstufungen darunter fehlen. Die feinen Unterschiede helfen jedoch nachher in der Analyse Produktvariationen zu unterscheiden. Daher bestärkt das isi Team die Studioleiter, die Probanden gezielt darauf hinzuweisen, die ganze Skala zu nutzen.
Eine weitere Eigenheit eines stark kapitalistisch ausgerichteten Systems ist die Konkurrenz der Anbieter untereinander. Einige exzellente Konsumententestanbieter haben den Markt erobert, verlangen jedoch auch hohe Preise für ihre Dienstleistung. Der Verdrängungskampf führt dazu, dass andere Anbieter nur überleben können, indem sie Kampfpreise anbieten. „Die gehen aber in der Regel zu Lasten der Qualität“, berichtet Röttgen. Aufgrund der Datenschutzgesetze in Europa können keine Stichproben – sogenannte Validierungen – durchgeführt werden. Der Kunde kann daher nicht prüfen, ob die Daten auch tatsächlich von Testpersonen stammen oder erfunden wurden.
Aus diesen Gründen setzt isi auf kleinere Familien- oder Inhabergeführte Anbieter von Testlaboren. Die Preise sind angemessen und der persönliche Austausch schafft Vertrauen. Hinzu kommt, dass sich isi Unterstützung für die Datenprüfung aus den USA holt. „So stellen wir durch Stichproben sicher, dass wir uns auf die Datengrundlage verlassen können“, erklärt Robert Röttgen.
Auch wenn einem Menschen aus Europa die US-amerikanische Kultur nah erscheint, so tickt sie doch zumindest im Bereich der Konsumentenforschung anders. Selbst Robert Röttgen vertraut daher auf die Tipps erfahrener Berater. So steht isi die Beratungsagentur von Jan Ruwe zur Seite. Der Niederländer bringt über 25 Jahre in der internationalen Konsumentenforschung mit, lebte und arbeitete in den USA und weiß, wo die Stolpersteine liegen. Gemeinsam mit Jan Ruwe und einer weiteren US-amerikanischen Kollegin hat Robert Röttgen so über die Jahre ein Netzwerk von Teststudios geschaffen, auf die man sich verlassen kann, die wissen, worauf es europäischen Kunden ankommt und die zudem die strengen isi Qualitätskriterien erfüllen.
Schreibt Robert Röttgen eine E-Mail an eine Leiterin eines Testlabors in Deutschland, reichen ein paar Zeilen. Diese kurzangebundene und direkte Art ist Eigenart der deutschen Kultur. In asiatischen Ländern stößt man damit Menschen jedoch vor den Kopf. Das weiß Robert Röttgen aus Erfahrung. Er lebte einige Jahre in Malaysia und verbringt nach wie vor viel Zeit in Südostasien. Er ist isis Südostasien-Experte und kennt sich aus mit den Unterschieden zwischen den europäischen und asiatischen Teststudios.
Grob gesagt ist die asiatische Kultur weniger individualistisch ausgerichtet und betont Familien- und Gruppenzugehörigkeit. Möglicherweise, so behauptet jedenfalls die „Reis-Theorie“, liegt das an den Unterschieden zwischen Reisanbau und Weizenanabau. Der traditionell in Asien verbreitete Reisanbau ist aufwändig und gelingt nur, wenn eine große Gruppe von Menschen eng zusammenarbeitet. Der eher im Westen verankerte Weizenanbau kommt dagegen ohne die Hilfe von Nachbarn aus. Die Erben der Reiskultur seien daher stärker am Kollektiv und an Harmonie interessiert, so die 2014 von chinesischen und US-amerikanischen Forschern in Science publizierte Theorie.
Im Gegensatz zu dem Mitarbeitenden im US-amerikanischen Teststudio wird das Team in einem indonesischen Labor den schriftlich festgelegten Testablauf, das Testprotokoll, nicht eigenhändig abändern. Stattdessen sind sie eher beunruhigt, dass in der Beschreibung noch einige Details fehlen. „Daher legen wir für Studios in asiatischen Ländern die Abläufe noch detaillierter und präziser dar, als wir es sonst schon tun“, erzählt Robert Röttgen. Wer das nicht tut, läuft Gefahr, dass Testdurchführungen nicht wie nach Wunsch ablaufen.
Um den Unterschied in der Wahrnehmung östlich und westlich sozialisierter Menschen zu verstehen, hilft eine bekannte Studie. Richard Nisbett, ein Vertreter der transkulturellen Psychologie bat im Jahr 2001 Versuchspersonen aus dem Westen und aus dem Osten den Inhalt eines Aquariums zu beschreiben. Während die westlichen Probanden vor allem die großen Fische beschrieben, nannten die Probanden aus dem asiatische Kulturkreis auch die Pflanzen, die kleinen Fische, den Hintergrund und das, was die Fische oder andere Aquariumsbewohner taten. Etwa: „Dort ist ein Frosch, der am Seegras heraufkrabbelt, das hin und herschwankt.“ Diese unterschiedliche Wahrnehmungsweise lässt sich als Objekt versus Kontext-Betrachtung beschreiben.
Auch daran wird ein Team denken, das ein Testprotokoll für ein asiatisches Teststudio verfasst. Jemand der von Deutschland aus einen Test in Malaysia plant, sollte versuchen, sich in das Team in Malaysia einzudenken, also nicht nur die großen Objekte vor Augen haben, sondern auch den Kontext und die Details.
Eine einfache Nachfrage der westlichen Auftraggebenden wie „Sie haben alles verstanden, oder?“ wird von Menschen in Asien in der Regel nicht mit einem „Nein, da stimmt etwas nicht in ihrem Testprotokoll“ beantwortet. Diese Kritik würde für den ausländischen Gast einen Gesichtsverlust bedeuten. Etwas, was in der asiatischen Kultur aus Respekt vor dem Gegenüber vermieden wird. Zudem bezieht ein Mensch in Asien eine Kritik nie nur auf die Sache, sondern immer auch auf die Person. Wichtig ist es daher im asiatischen Kulturkreis, stets Gesicht zu geben, niemals Gesicht zu nehmen und selbst Gesicht zu wahren. Statt kritische Anmerkungen zu einem Prozessablauf in einem asiatischen Testlabor zu machen, ist es sinnvoller, den Prozess einmal selbst vorzumachen.
In Deutschland mag sich dagegen mancher Kollege, manche Kollegin unwohl fühlen, wenn gar keine kritischen Anmerkungen kommen und sich fragen: Hat man mir überhaupt zugehört? Kritik wird hier meist als etwas verstanden, was der Sache und nicht der Person gilt. Auch sind in asiatischen Unternehmen Hierarchien wichtig. „Während ich in Frankreich oder England auch mit den Labormitarbeitenden diskutiere und nach Lösungen für Probleme suche, so wende ich mich in asiatischen Ländern meist an den Menschen, der die Leitung des Labors innehat“, berichtet Robert Röttgen. Umgekehrt finden es Mitarbeitende aus Südostasien mitunter verwirrend, dass bei einem Teamtreffen mit europäischen Kollegen unklar ist, wer in der Hierarchie wo steht. Redet ein Team-Mitglied forsch mit einem Vorgesetzten wirkt das unhöflich. Hierarchien sind in Europa und den USA weniger ausgeprägt, doch bringen sie einige Vorteile: klare Aufgabenverteilung und weniger Konflikte in der Gruppe. Das kommt dem in Asien verbreitetem Wunsch nach Harmonie nach.
In vielen asiatischen Ländern sind Konsumententests noch immer etwas Seltenes, und die Lust mitzumachen ist daher umso größer. „Die Rekrutierung ist also recht einfach“, freut sich Robert Röttgen. Der Abstimmungsbedarf ist jedoch aufgrund der oben genannten Besonderheiten höher als in europäischen Tests. Weitere Unterschiede betreffen das Antwortverhalten in Konsumententests. „Es ist schon lange bekannt, dass etwa auf einer Skala von 0 bis neun, Menschen aus Asien eher weniger extrem antworten als etwa US-Amerikaner. Werden Produkte in verschiedenen Ländern verglichen, müssen solche Unterschiede berücksichtigt werden, sonst kommt es zu Fehlinterpretationen. „Die Punkte, die wir angesprochen haben, geben nur ein grobes Bild, denn Asien ist groß. Jedes Land hat seine Eigenheiten – aus der Sicht eines Europäers. China bietet nochmal ein anderes Bild hinsichtlich der Konsumententests“, erläutert Robert Röttgen. Darum wird es in einem weiteren Blog-Beitrag gehen.
Schwer fällt es, die eigene Arbeitsweise aus dem Blickwinkel anderer Länder zu betrachten. Was fällt etwa asiatischen oder US-amerikanischen Partnern in der Arbeit mit einem Unternehmen aus Deutschland auf? „Ich arbeite gerne mit Partnern aus Deutschland“, erklärt Jan Ruwe. „Sie sind freundlich, korrekt und zuverlässig“. Das ist schmeichelhaft und vermutlich der Tatsache geschuldet, dass die Nachbarländer Deutschland und Die Niederlande auf der Kulturlandkarte nach Erin Mayer recht ähnlich abschneiden. Die Länder eint beispielsweise eine knappe und präzise Kommunikation, die Offenheit für direkte Kritik und der Wunsch, dass Entscheidungen gemeinsam und nicht „von oben“ getroffen werden. Länder, die weiter auf der Kulturkarte entfernt liegen, müssen weitere Wege für ein gegenseitiges Verständnis überbrücken. Auch wenn hier nicht auf jedes Land einzeln eingegangen wurde, so ist doch eines deutlich: Um Konsumententests in verschiedene Länder zu übertragen, müssen die kulturellen Besonderheiten mitberücksichtig werden. Geschieht dies nicht, drohten finanzielle Einbußen, falsche Testergebnisse und Frustration. „Wir haben über die Jahre viel gelernt über das Testen in anderen Ländern und wir haben gerade am Anfang auch aus Fehlern gelernt. Ich denke, dass es für alle Beteiligten – ob Kunde, Studioleitung, Testpersonen oder Labormitarbeiter – besser ist, wenn wir schon während der Planung gemeinsam alle Steine aus dem Weg räumen“, sagt Robert Röttgen.
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Fotos: Peter John Maridable/Unsplash, Marcin Kempa/Unsplash, Văn Ngọc Tăng/Unsplash
Dr. Fabienne Hübener ist freie Wissenschaftsjournalistin und hat sich auf die Sinne und die sensorische Forschung spezialisiert. Sie schreibt seit 2017 für uns auf unserem Blog.
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