Foodie - das unbekannte Wesen

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Fabienne Hübener

isi-Mitarbeiterin Sarah Hemmerling und Kollegen untersuchten erstmals in Deutschland, was einen Foodie ausmacht. Ihr Fazit: 30 Prozent der Deutschen sind Foodies oder Light-Foodies. Sie probieren gerne Neues, setzen auf Qualität und essen oft mit Freunden. Sie kochen leidenschaftlich, doch mit dem Wissen über Ernährung hapert es mitunter.

Für Unternehmen aus dem Food-Bereich ist dieses wachsende Verbrauchersegment eine besondere Herausforderung. Wer auf die Wünsche der Foodies eingeht, braucht kreative Ideen, findet dafür aber auch begeisterungsfähige Kunden, die spannende Entwicklungen im Food-Markt mittragen.„Unsere Untersuchung zeigt, dass das Bild vom geizigen Kochmuffel für viele Verbraucher nicht mehr zutrifft“, berichtet Sarah Hemmerling. „In Deutschland wandeln sich immer mehr Menschen zu Genießern guter Küche. Food-Unternehmen sollten lernen, wie sie diese wachsende Gruppe gezielt ansprechen können.“

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Genuss mit Freunden und öfter was Neues. Foodies wissen, was gut ist.

Den Foodies auf der Spur

Was ist ein Foodie? Wer den Begriff googelt, erhält über 90 Millionen Treffer. Wikipedia beschreibt den Foodie als Gastro-Fan, der gute, authentische und hochwertige Speisen schätzt. Foodie-Printmagazine starten mit hohen Auflagen, es gibt Foodie-Festivals, Foodie-Apps und Foodie-Kochbücher. Doch trotz der Fülle an Foodie-Spuren on- und offline war bis vor kurzem relativ unklar, wer zu dieser erlesenen Gruppe gehört. Dabei sollte gerade diese Gruppe für Unternehmen im Food-Bereich von besonderem Interesse sein.

Um den Schleier zu lüften, initiierte Sarah Hemmerling von isi, der Firma für Sensorikforschung und Innovationsberatung in Göttingen, und Kollegen der Universität Göttingen eine Untersuchung zum Thema Foodie. Sie wollte wissen: Wieviel Menschen in Deutschland bezeichnen sich als Foodies? Was zeichnet sie aus? Was kaufen sie ein? Ziel war eine Typologisierung des Foodies mithilfe wissenschaftlicher Methoden.

Dazu führte das Team eine Online-Verbraucherbefragung mit 503 Teilnehmern durch, die einen repräsentativen Querschnitt der Bevölkerung in Deutschland abbilden. Zudem befragten Sarah Hemmerling und Kollegen 91 Follower eines Foodie-orientierten Lebensmittelblogs, wurstsack.de. Damit sollten auch die Menschen erreicht werden, die sich besonders intensiv mit dem Thema Essen beschäftigen.

Lust auf Neues

Die Forscher baten die Befragten zu 70 Statements Stellung zu nehmen. Darunter zum Beispiel folgende: Ich bin stolz auf eigene Kreationen von Mahlzeiten und selbst erfundene Rezepte. Ich kaufe gerne exotische Lebensmittel. Ich habe ein umfangreiches Wissen über Lebensmittel und ihre Zubereitungsweisen. Zudem fragten die Forscher Kenntnisse über Lebensmittel und Kochmethoden ab.

Per Faktoren- und Clusteranalyse, zweier Verfahren aus der Statistik, stieß das Forscherteam auf sechs Gruppen in der Bevölkerung in Deutschland. 19 Prozent gehören zur Gruppe „Hauptsache satt“; sie interessieren sich kaum für Ernährung. Die Forscher nennen sie die Ernährungsfunktionalisten. Die nächste Gruppe, die „Kochmuffel“, ist mit 16 Prozent vertreten. Sie finden Essen zwar wichtig, Kochen interessiert sie jedoch wenig. In der Mitte des Foodie-Barometers stehen die Gewohnheitsköche. Dazu zählen 15 Prozent der Bevölkerung. Essen ist wichtig und Kochen macht Freude – solange es am eigenen Herd passiert. Mit 20 Prozent schließen sich die Ernährungsinteressierten an. Sie schwingen den Kochlöffel auch gerne mal bei einem Koch-Event und greifen für Spezialitäten tiefer in die Tasche. Am oberen Ende stehen die Foodies und die Light Foodies. Dieses Segment macht also immerhin 30 Prozent der Bevölkerung aus. Eine Analyse ihrer Antworten zeigt, worauf sie besonderen Wert legen und was sie von den Funktionalisten, Muffeln und den anderen Gruppen abhebt.

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Wie heißen die? Egal, Hauptsache es schmeckt.

Herz schlägt Kopf

Echte Foodies sind rund zehn Prozent der Konsumenten in Deutschland. Kochen ist ihre Leidenschaft. Sie lieben es, an kulinarischen Events teilzunehmen und schwärmen für Neues. Essen macht in Gesellschaft richtig Spaß und Qualität ist oberstes Gebot. Sie geben an, viel über das Kochhandwerk und Lebensmittel zu verstehen. Im Kenntnistest schneiden sie jedoch schlechter ab als Gewohnheitsköche, Ernährungsinteressierte und Light-Foodies. So erkennt beispielsweise jeder dritte Foodie eine Pastinake nicht. Rund 40 Prozent wissen nicht, was Blanchieren oder Bridieren ist. „Für Foodies ist die Leidenschaft wichtiger als das Wissen. Allerdings möchten sie für kenntnisreich gehalten werden. Das ist wichtig, wenn man auf diese Verbrauchergruppe eingehen will“, erklärt Sarah Hemmerling.

Die Light-Foodies liegen auf dem Foodie-Barometer knapp unter den echten Foodies. Rund 20 Prozent der Verbraucher sind dieser Gruppe zuzuordnen. Vom Foodie unterscheiden sich vor allem durch das geringere Interesse an Koch-Events und die Zurückhaltung gegenüber Neuem. Sie leben ihre Leidenschaft vor allem Zuhause aus und besitzen von allen Gruppen das größte Wissen über Kochen und Lebensmittel. Ihr Qualitätsanspruch steht dem der Foodies kaum nach.

Bio-Produkte spielen für Foodies eine größere Rolle als für den Durchschnittsesser. Während 27 Prozent aller Befragten der Aussage „Ich lege Wert auf Bio-Lebensmittel“ zustimmte, bejahte dies 67 Prozent der Foodies. Allerdings war den Foodies der Geschmack noch wichtiger als die biologische Erzeugung der Produkte.

Die Foodies sind im Vergleich zu allen Befragten überdurchschnittlich aufgeschlossen für Produkte der Lebensmittelindustrie. Gut ein Viertel greift häufig zu Fertigprodukten. Unter allen Befragten gilt das nur für jeden Siebten.

Was bedeutet das für Food-Unternehmen?

Foodies und Light-Foodies machen 30 Prozent der Verbraucher aus. Die Analyse ergab, dass sie sich ihre Anregungen häufiger als die Vertreter anderer Gruppen aus dem Fernsehen und aus Zeitschriften holen. Auch Kochbücher stehen bei ihnen höher im Kurs als beim Durchschnitt. 41 Prozent der Foodies vertrauen Produkten, die sie aus der Werbung kennen stärker als unbekannten Produkten. Im Durchschnitt war das nur bei 12 Prozent der Fall. Für hochwertige Fertiggerichte machen Foodies Platz im Einkaufskorb. Stimmt der Geschmack jedoch nicht, kennen sie keine Kompromisse. Foodies sind im Durchschnitt 46 Jahre alt, leben häufiger in Süddeutschland, sind oft in einer Partnerschaft und verfügen über mehr Geld als der Durchschnitt. Dabei sie sind durchaus preisbewusst. Drei Viertel macht sich auf die Suche nach Produktvarianten, um das Produkt mit dem besten Preis-Leistungsverhältnis zu ergattern. Zwei Drittel prüfen den Preis, auch wenn es nur um Kleinigkeiten geht.

Wenn Unternehmen der Food-Branche auf diese Konsumentengruppe eingehen möchten, sollten sie einige Aspekte besonders berücksichtigen. „Foodies wollen sich abgrenzen und suchen daher Anbieter, die ihnen helfen, ihren Lebensstil zu finden und auszudrücken. Das geht nur bei einer Spezialisierung auf diese Zielgruppe“, erklärt Sarah Hemmerling.

Produkte für Foodies müssen einige Mindestbedingungen erfüllen. Im Vordergrund steht der Geschmack und die Qualität. Doch sollten die Produkte auch gesund, nachhaltig und authentisch sein. Fleisch kommt zwar auf den Teller, allerdings seltener als bei der Durchschnittsbevölkerung. Lebensmittelmessen, Kochkurse, Food-Festivals und kulinarische Reisen bieten eine gute Möglichkeit, um Foodies anzusprechen.

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Anspruchsvoll und aufgeschlossen, Foodies sind besondere Kunden.

Eine sinnliche Geschichte erzählen

„Videos, die einen Einblick in die Herkunft eines Lebensmittels geben, sind interessant für Foodies. Das kann etwa die Geschichte eines Landwirts sein. So erhalten Foodies einen Einblick in die gesamte Kette der Nahrungsmittelerzeugung. Das macht ein Produkt authentisch“, erklärt Sarah Hemmerling. Besonders einflussreiche Food-Blogger, so genannte Influencer, können dabei helfen, eine Marke unter den Foodies zu positionieren. „Foodies lesen Blogs und lieben es, Fotos von ihrem Essen zu posten. Social-Media spielt daher eine wichtige Rolle für Foodies und eignet sich, um Produkte und Angebote zu verbreiten“, weiß Sarah Hemmerling.

Um den Genießer im Foodie anzusprechen, können Hersteller Verkostungen und Produktpräsentationen anbieten, die alle Sinne ansprechen. „Die multi-sensorische Ansprache im Geschäft gibt einen wichtigen Kaufimpuls. Das unterschätzen noch viele Anbieter. Produkte, die das Auge, den Tastsinn, das Gehör, den Geschmack und Geruch auf perfekt abgestimmte Art und Weise ansprechen, sind für Foodies anziehend“, erklärt die isi-Mitarbeiterin. Für Lebensmittelhersteller, die sich bislang vor allem auf den Geschmack verlassen, kann dies eine neue Herausforderung darstellen, aber auch eine Chance. „Die Foodie-Lebensmittel der Zukunft“, betont Sarah Hemmerling, „unterscheiden sich von den 0815-Produkten und bieten nicht nur Genuss, sondern eine ganze sinnliche Geschichte hinter dem Produkt.“

 

Quelle

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Sarah Hemmerling

Trendsegment Foodies: Die neue Leidenschaft für Lebensmittel, Sarah Hemmerling, Katrin Schütz, Naemi Krestel, Anke Zühlsdorf, Achim Spiller, Georg-August-Universität GöttingenErgebnisse einer Zielgruppenanalyse für den deutschen Lebensmittelmarkt - Kommentiertes Chartbook, Die Forschung zu dieser Studie wurde unterstützt im Rahmen der DFG Forschergruppe 772 "Die Konstituierung von Cultural Property: Akteure, Diskurse, Kontext."  Link zur Arbeit

 

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Photocredits

(von oben nach unten): James Sutton (Senf) - unsplash.com, rawpixel (Mann am Tisch) - unsplash.com, Annie Spratt (schwarze Bohnen)  - unsplash.com, Caleb Lucas (Mann im Supermarkt) - unsplash.com, isi Archiv (Sarah Hemmerling)

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